Rock am Ring

Zwanzigjähriges Jubiläum, Metallica haben das Snakepit dabei und spielen das Black Album komplett. Bis ca. zwanzig Minuten vor Konzertbeginn stehe ich im Mini-VIP-Bereich direkt auf der Bühne, ca. fünf Meter entfernt von James' Mikro. Dann erklärt mir der Ordner, dass mein Backstage-Ticket bei Metallica jetzt nicht mehr gilt. Fuck you very much. Zu den Bildern

Setlist: Hit The Lights | Master Of Puppets | Ride The Lightning | For Whom The Bell Tolls | Hell And Back | ... | The Struggle Within | My Friend Of Misery | The God That Failed | Of Wolf And Man | Nothing Else Matters | Through The Never | Don't Tread On My | Wherever I May Roam | The Unforgiven | Holier Than Thou | Sad But True | Enter Sandman | ... | Blackened | One | Seek And Destroy

New York

Zehn Tage New York. Mit dem Ostküsten-Clasico Knicks vs. Celtics (118:110), dem Besuch beim Ghostbusters Firehouse, einem schüchternen Tribute to Steve und der Abend für Abend schweren Frage: »Philadelphia Cheese Steak oder Buffalo Chicken Wings? Oder doch lieber beides?« Alle Fotos mit dem American Hipstapak, das wenige Tage vor Abreise frisch released wurde. Man muss halt auch mal Glück haben. Zu den Bildern

Hipstamatic vs. Instagram

Ein paar Fotojournalisten diskutieren gerade, ob Fotografie mit Instagram und Hipstamatic Betrug an sich selbst und den Lesern ist, weil man sich die Welt dank toller Filter einfach so zurechtbiegen kann, wie man sie gern hätte. Ich finde, die Diskussion ist schon ab dem Punkt unsinnig, an dem Instagram und Hipstamatic in einen Topf geworfen werden.

Mit Instagram mache ich ein ganz normales Foto, bei dem ich dann der Reihe nach jeden einzelnen der zig Filter drüberlegen kann - so lange, bis mir das Bild endlich gefällt. Dann noch ein bisschen Unschärfe drauf, Kontrast rein, Rahmen drumrum, und fertig ist das Bild. Erst das Foto, dann der Filter. Mit Fotojournalismus hat das in der Tat nicht sehr viel zu tun. Aber das ist etwas komplett anderes, als mit Hiptstamatic zu fotografieren.

Mit Hipstamatic habe ich einen Pool an Linsen, Filmen und Blitzen zur Verfügung, die ich a) beliebig kombinieren kann und die ich b) vor allem vor dem Fotografieren auswählen muss. Wie in der »echten« Fotografie muss ich mein Equipment also genau kennen, um zu entscheiden, welchen Film, welche Linse, welchen Blitz ich verwende. Und es gibt immer nur diesen einen Versuch, das Foto kann hinterher nicht mehr anderweitig befiltert werden.

Erst der Filter, dann das Foto, das ist also das komplette Gegenteil von Instagram. Bei jedem einzelnen gelungenen Hipstamatic-Bild freue ich mich, denn ein gelungenes Hipstamatic-Bild bedeutet, dass ich im richtigen Moment die richtige Linse, den richtigen Film, den richtigen Blitz gewählt habe. Über ein gelungenes Instagram-Bild dagegen freue ich mich ungefähr so, wie über ein vom Motiv her gutes, ansonsten aber mittelmäßig fotografiertes Bild, dass ich dann hinterher eine Stunde lang in Photoshop aufgehübscht habe.

Und darum finde ich, dass Fotografie mit Instagram aus fotojournalistischer Sicht absolut und selbstverständlich etwas mit »cheating« zu tun hat. Hipstamatic dagegen ist so nah am »echten« Fotografieren, wie keine andere Foto-App. Drum gab es auch schon Ausstellungen, die ausschließlich aus Hipstamatic-Bildern bestanden. Von Instagram-Ausstellungen habe ich allerdings bislang noch nichts gehört.

orangedotgallery: hipstamatics

Maiden, London

Noch mal nachgelegt: Mit dem Trainer zwei Mal Maiden im Londoner O2. Klar: Mit exakt derselben Setlist wie in München und Stuttgart. Und auch exakt denselben Ansagen. Am ersten Tag oben auf der Tribüne, am zweiten Tag unten - neben zwei oberkörperfreien englischen Jugendlichen, die sich bei jedem neuen Song vor Begeisterung einen Headbut gegeben haben.

Vorher noch im Dublin Castle und im Museum of British Music History gewesen. Dort am längsten vor den Stiefeln von Mr. Lemmy Kilmister stehen gegeblieben. Und vor diesem Hüpfmännchen, das die ganze Geschichte der britischen Rockmusik erzählt und dabei aufgeregt herum hüpft.

Setlist: Doctor Doctor | The Final Frontier | El Dorado | 2 Minutes To Midnight | The Talisman | Coming Home | Dance Of Death | The Trooper | The Wicker Man | Blood Brothers | When The Wild Wind Blows | The Evil That Men Do | Fear Of The Dark | Iron Maiden | ... | The Number Of The Beast | Hallowed Be Thy Name | Running Free

The Big 4

Metallica, Slayer, Megadeth, Anthrax. Die Big Four in Gelsenkirchen. Reihe 10, Platz 1.

Scanning the scene, Gelsenkirchen tonight
[Mr. James Hetfield, live on stage]

Setlist: Hit The Lights | Master Of Puppets | Shortest Straw | Seek And Destroy | Sanitarium | The Memory Remains | All Nightmare Long | Sad But True | Wherever I May Roam | Call Of Ktulu | One | For Whom The Bell Tolls | Blackened | ... | Helpless (mit Slayer, Megadeth, Anthrax) | Battery | Creeping Death

London

London mit Theresa, Emrah und Tobias. Abends in Camden gewesen. Um Punkt drei wird die Musik durch einen lauten Pfeifton abgewürgt, verbunden mit der Bitte, jetzt zu gehen, es sei genau drei Uhr. Woraufhin sich alle Gäste ohne Diskussion gesittet zum Ausgang begeben. Indiskutabel! Außerdem in Wimbledon gewesen und The Queue angeschaut: ein ca. zwei Quadratkilometer großer Acker, auf dem ca. 10.000 Menschen ca. drei Jahre anstehen, um eventuell auf das Wimbledon-Gelände gelassen zu werden - und zwar nur auf das Gelände. Auf die einzelnen Courts kommt man dann noch lange nicht. Haben spaßeshalber eine Stunde gequeued, sind dabei ca. 30 Meter voran gekommen und dann wieder gegangen.

Maiden, Final Frontier

München, Stuttgart, London, London. Vier Mal Maiden innerhalb von ein paar Wochen. Viermal dieselbe Setlist. Viermal derselbe Wahnsinn. Up the Irons.

Setlist: Doctor Doctor | The Final Frontier | El Dorado | 2 Minutes To Midnight | The Talisman | Coming Home | Dance Of Death | The Trooper | The Wicker Man | Blood Brothers | When The Wild Wind Blows | The Evil That Men Do | Fear Of The Dark | Iron Maiden | ... | The Number Of The Beast | Hallowed Be Thy Name | Running Free

Das große Schnattern

Selbstversuch: Mein Leben mit Twitter
[Erschienen in der FAZ vom 23.08.2008]

Selbst Obama tut es: Über die Internetseite Twitter kann man der ganzen Welt jederzeit mitteilen, was man gerade so macht und denkt. In hundertvierzig Zeichen. Klingt banal, scheint überflüssig und macht nach einer Weile süchtig.

Es brauchte etwas Druck, mich zum Twittern zu bringen. Ein Kollege* sagte: „Mensch, du musst jetzt endlich auch mal twittern! Du verschläfst schon wieder alles! Das macht Spaß!“ Gut sechs Monate ist das her. Der Kollege ist zu diesem Zeitpunkt schon ein alter Twitter-Hase. Er kennt sich aus mit Trends im Internet. Er ist das, was man einen „Early Adopter“ nennt - einer, der immer schon ganz früh ganz genau Bescheid weiß, wohin die Reise geht. Ich vertraue seinen Ratschlägen. Und habe mir Twitter also mal angeschaut.

Die Anmeldung ist ganz leicht. Benutzername, Passwort, E-Mail-Adresse. Mehr braucht man nicht. Ein Profilbildchen dazu und ein, zwei Sätze zur Person, wenn man mag. Ansonsten geht es nur um dieses große, leere Feld da oben. Da schreibt man die Einträge hinein, die sogenannten Tweets, wie der Kollege erklärt. „Und was schreib' ich da jetzt hin?“, frage ich. „Na alles, was du gerade machst und denkst“, antwortet er. „Und warum?“ - „Na, weil das lustig ist. Wirst du sehen. Jetzt mach einfach mal. Macht bald eh jeder.“

Also schreibe ich meinen ersten Twitter-Tweet. „Hallo Welt, ich twittere jetzt auch“, schreibe ich. Das sind fünfunddreißig Zeichen. Hundertvierzig habe ich. Also noch viel Platz. „Habe aber noch keine Ahnung, was das soll und wie das geht“, ergänze ich. Neunundfünfzig Zeichen. Bleiben noch sechsundvierzig, das wird mir oben angezeigt. Ich belasse es dabei und klicke auf den Update-Button. Mehr habe ich der Welt jetzt nicht mitzuteilen. Kurze Ladezeit, dann steht er da, taufrisch: mein erster Tweet. Genau unter dem Feld, das jetzt wieder leer ist. Ich könnte also sofort nachlegen. Und verspüre Druck. Mir fällt nichts ein. Also schaue ich mich erst mal um.

Ziemlich trostlos, meine Seite. Gähnende Leere, alles ganz still. Hallo, ist jemand da? Oben entdecke ich ein Suchfeld. Ich gebe den Benutzernamen des Kollegen ein. Aha! Da passiert was. Mehrere hundert Tweets. Ich lese. Was er so macht, was er so denkt, was er so schreibt. Ganz banale Alltagsgedanken sind das, meist pointiert formuliert. Manchmal muss ich lachen. Ich klicke auf den großen Button unter seinem Bild, „Follow“ steht da drauf. Klick! Jeder neue Tweet meines Kollegen läuft jetzt auf meiner Seite ein. Wenn etwas passiert in seinem Leben, erfahre ich das sofort.

Rechts unten: viele bunte Bildchen. Die Abonnements des Kollegen. Ich klicke mich durch. Und finde allerhand Lustiges. „Manchmal wünsche ich mir Gerhard Schröder zurück. Nur so zum Bastasagen“, schreibt @bosch. „Kontostände sind prekäre Scheiße. Boheme hin oder her“, meckert @kumullus. „Will scrollen. Ist aber Zeitungspapier“, witzelt @tristessedeluxe. Ich muss wieder lachen. Klick!, klick!, klick!, drei weitere Abonnements. Ich kenne diese Leute zwar nicht, aber was sie schreiben, amüsiert mich.

Dann entdecke ich Barack Obama. Auch der twittert. Von seinem Wahlkampf, wo er gerade ist, was er da macht, wie es so läuft. Ich abonniere ihn, ein bisschen Mitmachen beim großen Hype wird wohl erlaubt sein. Nur wenige Augenblicke später erhalte ich eine Mail: „Barack Obama is now following your Updates on Twitter.“ Huch! Barack Obama hat mich abonniert, will wissen, wie es läuft bei mir. Natürlich ist mir klar, dass da irgendwer irgendwas programmiert hat, so dass neue Abonnenten sofort zurückabonniert werden. Trotzdem freue ich mich. Barack Obama, mein erster Follower.

Schnell finde ich alte Bekannte. Die halbe Blogger-Welt ist vertreten. Die meisten konnten ihre Prominenz hinüberretten. Mercedes Bunz oder Stefan Niggemeier twittern nicht mal aktiv, haben lediglich ein Benutzerkonto - und über hundert Follower. Einer der bekanntesten deutschen Blogger, Sascha Lobo, ist auch einer der prominentesten deutschen Twitterer. Über zweitausend Abonnenten, knapp tausend Abonnements. Auf seiner Seite muss die Hölle los sein. Da müssen die Tweets im Sekundentakt reinrauschen. Die totale Infoflut. Ein Tweet lautet: „Argh! Laptop auf 19%, iPhone 1 auf 20%, iPhone 2 auf 10% Akku. Ich kann jetzt nur das Allernötigste twittern.“ Ich followe ihm.

Nach ein paar Wochen habe ich bereits eine stattliche Abonnentenzahl. Und einen Lieblings-Twitterer: @tristessedeluxe. Er schreibt Sachen wie: „Im Keller. Suche den Grill. Kaum Netz.“ Wenn nichts los ist, schreibt er: „Habe gerade nichts mitzuteilen“, wenn er schlecht gelaunt ist: „Morgen lösche ich alles.“ Nicht einmal durch Schlaf lässt er sich vom Twittern abhalten: „Ich schlafe noch. Dank Tweetlater.com kann ich trotzdem twittern.“ Es ist die Begeisterung über die eigene Begeisterung, die mich so begeistert. Ein Supersatz eigentlich. Müsste man mal twittern.

Nach ein paar Wochen ist Twitter allgegenwärtig. Immer häufiger ertappe ich mich bei der Überlegung, was ich als Nächstes schreiben könnte. Oft twittere ich von unterwegs, per Handy, damit ich einen guten Einfall nicht vergesse. Internetfähig ist mein Handy nicht, es ist alt, also twittere ich per SMS, das geht auch, ist allerdings teuer. Aber egal, bei manchen Tweets muss es einfach raus. Twitter fußt auf den drei großen Säulen des sogenannten Social Web: Selbstdarstellung, Voyeurismus, Unterhaltung. Alle drei Impulse haben mich gepackt. Wenn ich online bin, ist Twitter offen. Die Gedanken wandern immer öfter zum nächsten Tweet.

Eines Morgens twittere ich: „Ach ja: Hab' mir heute Nacht um vier noch Tortellini gekocht. War aber zu betrunken, das auch zu twittern. Sorry! Kommt nicht wieder vor.“ Als der Kollege das liest, ist er total happy: „Super-Tweet! Echt! Richtig gut! Habe sehr gelacht! Weiter so!“ Ich bin stolz. Aber auch verlegen. Weil's ja gar nicht gestimmt hat. Mir gefiel nur der Gedanke so gut: Wie das sein könnte, dass etwas derart Bedeutendes in meinem Leben passiert, ohne dass ich es twittere. Dass mir das dann vielleicht peinlich wäre. War aber nur so ein Gedanke.

Und während ich das schreibe, fällt mir auf: Das ist ganz schön selbstreferentiell, sich einfach so selbst zu zitieren. Und eigentlich will ich das sofort wieder löschen, doch dann denke ich: Nein, das bleibt drin, denn ganz genau so ist Twitter: selbstverliebt, selbstreferentiell. Bestes Beispiel war die Twitterlesung kürzlich in der Berliner Kulturbrauerei. Da traf sich die Twitter-Prominenz und las vor rund zweihundert Zuschauern lustige Tweets. Oftmals die eigenen. Anfangs war das ungemein unterhaltsam, nach einer Stunde glitt es ab. Es wurde zu selbstverliebt, zu selbstreferentiell. Scheint also, als wäre ich jetzt angekommen in der Twitter-Welt. Ein Dank an den Kollegen!

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* LEAK: Hinter dem Kollegen verbirgt sich übrigens der geschätzte @hipcheck

Powerslave

// Ursprünglich im Sommer 2008 im alten Blog gepostet.

War jetzt drei Mal bei Maiden. Zweimal in Paris, einmal in Lissabon. Und weil's ein Sportblog ist, hab ich mal ne Good-Old-Kicker-Style-Analyse gemacht: Iron Maiden in Paris, Palais Omnisports (01. und 02. Juli) und Iron Maiden in Lissabon, Parque do Tejo (09. Juli):

Aufstellung:
Keine Überraschungen. Maiden in der gewohnten Aufstellung mit Nicko McBrain (Drums), Steve Harris (Bass), Adrian Smith (Guitar), Dave Murray (Guitar), Janick Gers (Guitar) und Bruce Dickinson (Vocals). Im weiteren Spielverlauf wurde wie üblich Eddie eingewechselt, diesmal im schicken Somewhere-In-Time-Outfit. Taktisch sah das in etwa so aus:

System und Taktik:
Das eingespielte Team. Vor dem gewohnt sicheren Rückhalt McBrain stand eine variable Dreierkette aus Murray, Smith und Gers, die viel rochierte, wobei Murray und Smith meist im flüssigen Wechselspiel den linken Flügel beackerten, während der agile Gers auf rechts mit leichtfüßigen, wirbelwindigen Tempo-Dribblings beeindruckte. Leicht vorgezogen Harris, der sich immer wieder energisch ins Offensivspiel einschaltete, gelegentlich aber auch mit Murray, Smith und Gers auf einer Linie spielte, wodurch im Zentrum eine unüberwindbare WAND formiert wurde. Dickinson davor ganz klassisch in der Rolle des freien Mannes: überall zu finden, ging weite Wege, half je nach Spielsituation vorne und hinten aus.

Spielverlauf: 
Never change a winning Setlist. In allen drei Partien der absolut identische Aufbau. Nach der letzten Tour zum aktuellen Album wurde wie angekündigt umgestellt: Alle neuen Songs RAUS, im Spiel dafür nur noch Nummern aus den großen Jahren 1980 bis 1988 (einziger Ausreißer: "Fear Of The Dark" aus den frühen Neunzigern). Das hieß konkret: Bisschen "Somewhere In Time", bisschen "Seventh Son", bisschen "Piece Of Mind", ganz viel "Powerslave" und selbstredend die Standards von der "Number Of The Beast". Old Glory. Das Ganze souverän und routiniert vorgetragen, durchweg mit der Euphorie einer Band, die gerade ihr erstes Demo vorstellt. Von dreißig Bühnen-Jahren auf dem Buckel und grobem Altersschnitt von fünfzig nichts, aber auch wirklich gar nichts zu spüren. Mit hohem Tempo ging's los, mit hohem Tempo ging's weiter, mit hohem Tempo hörte es auf. Am Ende: beiderseitige totale Verausgabung. Unterm Strich: Spielfreude, Leidenschaft und Einstellung: wie bei La Mannschaft gegen Portugal. Allerdings: an JEDEM Abend.

Spieler des Spiels:
Bruce Dickinson. Nutzte die ihm gebotenen Räume perfekt. Überall zu finden, extrem laufstark, verdammt wendig und auch in der Nachspielzeit trotz haushoher Führung noch enorm engagiert und konditionell voll auf der Höhe. Unermüdlicher Antreiber und Einpeitscher, von den Fans nie in den Griff zu kriegen, hatte seinerseits jederzeit alles und jeden absolut im Griff. In dieser Form nicht wegzudenken aus dieser Band.

Fazit:
GEIL! GEIL! GEIL! GEIL!

Statistik:
Doctor Doctor | Transsylvania | ... | Aces High (1.) | 2 Minutes To Midnight (7.) | Revelations (14.) | The Trooper (20.) | Wasted Years (26.) | Can I Play With Madness (32.) | The Number Of The Beast (37.) | The Rime Of The Ancient Mariner (44.) | Powerslave (54.), Heaven Can Wait (62.) | Fear Of The Dark (71.) | Run To The Hills (80.) | Iron Maiden (86.) | ... | Moonchild (95.) | The Clairvoyant (102.) | Hallowed Be Thy Name (109.)

Sie nennen ihn Waltizzle

// Ursprünglich im Sommer 2010 bei SPOX gepostet.

Es geht um Walter. Walter ist 57, Journalist und das, was man, hüstel, ein Unikat nennt. Er lebt in Göttingen und schreibt dort über Sport, von der Kreis- bis zur Bundesliga, seine Texte stehen dann in der Lokalzeitung oder im Kicker. Bei ihm habe ich meine ersten Texte geschrieben. Ich bin da in die Redaktion, habe schüchtern was von "auch mal schreiben" gestammelt, und er schickte mich dann direkt zu 05, Spielbericht schreiben, da waren die Hosen also gleich mal voll. Am Ende hat ihm die Überschrift ganz gut gefallen, an den Rest ist er lieber noch mal ran - aber: Ich durfte wieder kommen.

Als ich JAHRE SPÄTER mit dem Studium fertig war, wurde das im Club eines Freundes privatgefeiert, und Walter war da, mit einem Beatles-Shirt an und einem Haufen Platten unterm Arm: Er hätte schließlich schon vor dreißig Jahren aufgelegt, sagte er, dann ließ er sich kurz die Anlage erklären - "Wahnsinn, Olli, alles wie früher!" - und legte den ganzen Abend Beatles und Stones und Hendrix auf, dazwischen ging er selbst "abhotten", und das war insgesamt ein sehr, sehr großer Abend.

Vor ein paar Wochen war ich nun wieder in Göttingen, und da ging ich in die Lokhalle, zu einem Spiel der BG, das ist Basketball, Bundesliga, und Walter ist immer da, wenn die BG spielt, denn bei der BG ist er Reporter und Hardcore-Fan in einem. Ich saß dann also direkt neben Walter, auf einem der Presseplätze, direkt an der Bande, bei der BG, im Lokalderby gegen Braunschweig. "Schreibst du bei SPOX was über das Spiel?" - "Nein, ich dachte, ich schreib was über dich, Walter, irgendwann." - "Ah, okay."

Wer die BG schon mal live gesehen hat, der kennt Walter. Dieser Typ im Pressebereich, der permanenter und lauter rumbrüllt als jeder Ultra: Das ist Walter. Er ist fast immer dabei, man kennt ihn auch schon auswärts jetzt. Für alle, die noch nie bei einem BG-Spiel waren: Walter brüllt nicht, er BRÜLLT. Er hat die lauteste Brüllstimme, die ich je gehört habe. Und das sagen alle, die ich kenne. Da ist jetzt null Übertreibung dabei.

Nach ca. einer Minute liegt die BG mit 18:0 vorn. Die BG spielt immer so, wie andere Teams spielen, wenn sie kurz vor Schluss knapp zurück liegen. Wahrscheinlich nennt man das auch im Basketball einfach Pressing, aber im Grunde ist das reiner Terror, und das ziehen die das komplette Spiel über durch. Also, 18:0, und Walter würde am liebsten nach jedem Korb aufs Parkett rennen und mit den Spielern abklatschen. Aber er macht sich erstmal nur Notizen für den Spielbericht.

Und dann steht Heiko Schaffartzik direkt vor uns an der Bande. Heiko Schaffartzik ist Nationalspieler und Braunschweiger und liegt gerade 18:0 zurück, und jetzt hat er den Ball und sofort stehen zwei Göttinger vor ihm und machen TERROR, und plötzlich zucke ich zusammen, und meine Ohren fiepen, und ich schaue nach links, und da sitzt ja Walter und brüllt:

"Jahaa!, das mag er nicht der Schaffartzik, das schmeckt ihm nicht, dem Schaffartzik", und wie gesagt, er BRÜLLT das, also: "JAHAA!, DAS MAG ER NICHT DER SCHAFFARTZIK, DAS SCHMECKT IHM NICHT, DEM SCHAFFARTZIK!", und der Schaffartzik steht keine zwei Meter vor uns an der Bande, und plötzlich haben die Terror-Göttinger den Ball, und jetzt schaut er doch bisschen irritiert zu uns rüber, der Schaffartzik, und Walter brüllt immer noch, und dazwischen lacht er, und dann brüllt er wieder, immer dasselbe, und ja, jetzt sieht man's ganz deutlich: Das mag er nicht, der Schaffartzik, das schmeckt ihm nicht, dem Schaffartzik, so eine Brüllerei, hier, direkt vom Presseplatz.

Ein paar Minuten später. Es steht ca. 40:10 für die BG. Der Schiri pfeift irgendwas gegen einen Göttinger. Und das schmeckt ihm jetzt nicht, dem Walter, ganz und gar nicht. "SCHIIIIIIIRIIIIIIII!!!! MAAAN!!!! DAS GIBT'S DOCH WOHL NICHT!!!! DU BLINDER!!!!" Das schreit der Walter jetzt also über einen Zeitraum von gut zwei Minuten erstmal so in Dauerschleife so raus. Zwischendurch: immer mal wieder: kurze Pausen. Und immer, wenn man denkt, jetzt ist er durch, legt er doch noch mal einen nach: "SCHIIIIIIIRIIIIIIII!!!! MAAAN!!!! DAS GIBT'S DOCH WOHL NICHT!!!! DU BLINDER!!!!" Das geht noch eine ganze Weile so.

Dann nimmt Walter mich mal kurz in den Arm. Er nimmt die Leute oft in den Arm, er ist ein sehr freundlicher, herzlicher Mann. Jeder hat ihn gern. Bis auf Heiko Schaffartzik vielleicht. "Ach, ist das ein geiles Spiel, oder?!" Und dann erklärt er mir, was gerade passiert auf dem Parkett. Er weiß, dass ich da keine Ahnung von habe. Dann fragt er: "Bist du eigentlich bei Facebook?" - "Äh. Ja. Klar." - "Dann muss ich dich da gleich mal als Freund hinzufügen." - "Du bist bei Facebook, Walter?" - "Was denkst du denn? Du musst da mal nach meiner Tochter suchen: Linda. Bildhübsch, sag ich dir. Bildhübsch!" - "..." Ich bin verdutzt. Walter macht sich derweil noch paar Notizen für den Spielbericht. Dann brüllt er noch bisschen irgendwen an.

Früher, als die BG noch in der Zweiten Liga gespielt hat, da wäre Walter beinahe mal vom Schiri rausgeworfen worden. Weil er da die ganze Zeit so einen Radau gemacht hatte, im Pressebereich, und das schmeckte ihm nicht, dem Schiri.

Das Spiel ist jetzt aus. Die BG gewinnt, haushoch. Walter strahlt, und nimmt mich wieder in den Arm. Ich schaue auf sein Handgelenk. Er trägt eine BG-Uhr. Lilafarben. "Walter, du hast jetzt nicht ernsthaft eine BG-Uhr??" - "Klar! Ich hab sogar zwei davon!" Dann steht das Publikum geschlossen auf, singt die BG-Hymne. Walter steht ebenfalls auf, singt, strahlt, singt, strahlt, nimmt mich in den Arm, strahlt, singt. Dann kommen die Spieler. Ehrenrunde. Sie klatschen die Fans ab. Bei Walter bleiben viele ein paar Sekunden länger stehen.

Am Abend will ich ihm die Freundschaftseinladung bei Facebook schicken. Geht aber nicht. Er war schneller. Ich nehme an. Und durchstöbere ein paar seiner Fotos. Auf einem ist er beim Kicken zu sehen. Körperspannung, perfekte Schusshaltung, Zunge raus, sehr lustiger Blick. Darunter ein Kommentar: "Waltizzle!!! Seeeeehr fettes Bild!!" Der Kommentar stammt von einem der BG-Spieler von vorhin.