Ich habe im letzten Jahr schon mal über Hipstamatic geschrieben, eine kleine Wunschliste, wie es weitergehen könnte, nachdem es dort ja offenbar ein paar Fragen über die künftige Strategie gab. Da Fotografieren für mich die mit Abstand wichtigste Funktion auf dem iPhone ist und ich sämtliche Fotos schon immer ausschließlich mit Hipstamatic mache, ist das für mich ja alles auch ein durchaus wichtiges Thema. Ich hatte mir damals also vor allem die Möglichkeit gewünscht, das riesige Arsenal an Linsen und Filmen schneller und direkter überschau-, verfüg- und kombinierbar zu machen, am besten auch gleich mit der Möglichkeit, Bilder im Nachhinein zu hipstamatisieren, auch wenn das eigentlich gegen den Grundgedanken der App verstößt.
Und stark: Ganz genau das haben sie mit Oggl alles gemacht. Und da ich glücklicherweise zwei Tage vor meinem Urlaub den Invite bekam, hier nun mein Fazit nach vier Wochen Dauereinsatz in Kanada. In einem Satz: Oggl ist die beste und schönste Foto-App, die ich bislang benutzt habe.
Grundprinzip #1: Es wird von Anfang an gezahlt. Nutzer kaufen / verpassen nicht mehr einzelne Packs, sie zahlen jetzt vierteljährlich / jährlich und bekommen dafür Zugriff auf das gesamte Equipment. Zusätzlich gibt es jeden Monat eine neue Linse und einen neuen Film. Wer nicht zahlt, bekommt das Grund-Equipment von fünf Linsen und fünf Filmen. Ich zahle, natürlich.
Grundprinzip #2: Fotos können jederzeit bearbeitet werden. Jede Linse und jeder Film kann mit jedem Foto kombiniert werden, auch im Nachhinein, auf ewig. Wenn es morgen eine neue Linse gibt, kann ich sie auch für das Foto von gestern verwenden. Einzige Bedingung: Das Foto wurde mit Oggl gemacht, ein Bild-Upload in die App ist nicht möglich.
Grundprinzip #3: Es gibt eine Community. Der Fokus liegt allerdings mehr auf den Bildern und dem verwendeten Equipment, weniger auf den Nutzern und der Geschichte, die sie mitteilen möchten. Im Newsfeed gibt es nur Fotos. Keine Nutzernamen, keine Orte, keine Bildunterschriften, keine Likes. Das alles sieht man erst, wenn man auf ein Foto klickt.
Grundprinzip #4: Fotos können kuratiert werden. Es geht, glaube ich, bei Oggl weniger darum, was jemand mit einem Bild mitteilen möchte. Es gibt nicht unbedingt eine Geschichte, Kontext ist nicht wichtig. Es geht mehr um's Ausprobieren, Experimentieren, Entdecken. Um Kreativität. Um immer dieselbe Frage: gutes Foto? Es geht nicht um Freunde, nicht um Follower.
Ich finde das alles großartig!
Wenn ich früher ein Foto machen wollte, musste ich vorher entscheiden, welche Linse / welchen Film ich verwenden möchte. Manchmal war dann das Motiv weg, bis ich mich entschieden hatte. Manchmal habe ich auch einfach fünf Fotos mit fünf verschiedenen Linsen gemacht. Und meistens habe ich eine Standard-Kombination festgelegt, die ich einfach immer verwendet habe. Bis sie mir langweilig wurde.
Auf keinem dieser Wege kam allerdings das zum Tragen, was Hipstamatic für mich eigentlich ist: die App mit der größten Auswahl an tollen Filmen und Linsen. Mit Oggl hat sich das geändert. Ich mache erst das Bild und überlege dann, welche Linse / welcher Film am besten passen - mit dem Unterschied, dass ich jetzt viel mehr Kombinationen ausprobiere und verwende als früher. Zudem kann ich mich jederzeit umentscheiden, wenn ich irgendwann eine neue Lieblingslinse habe. Das Foto ist im Prinzip niemals fertig, so lange ich es in der App behalte. Sehr toll auch: Jedes Foto wird natürlich auch in der normalen Foto-App abgelegt - und dort jedes mal überschrieben, wenn ich es innerhalb von Oggl verändere.
Ist das noch Hipstamatic? Schwierig! Das alte Prinzip - erst das Equipment, dann das Foto, keine Nachbearbeitung - ist mit Oggl passé (die ursprüngliche Hipstamatic-App gibt es natürlich weiterhin). Andererseits ist die Anzahl an Möglichkeiten so groß, dass es sehr, sehr, sehr aufwändig ist, alles einfach mal auf gut Glück so lange durchzuklicken, bis es irgendwann vielleicht passt. Man muss auch weiterhin wissen, was welche Linse in Verbindung mit welchem Film und welchem Foto kann. Es ist lediglich leichter geworden, damit herumzuprobieren. Und es ist leichter geworden, die Ideen der anderen anzuschauen.
Auch die gesamte Optik und Haptik, die anfangs sehr eigenwillige Navigation, die sich aber schon am zweiten Tag so natürlich und so richtig anfühlte, dass ich sie bei anderen Apps plötzlich vermisst habe, diese ganze Sorgfalt und Liebe bis ins letzte Detail: ja, alles Hipstamatic. Und ich mag das alles sehr. Für mich die App des Jahres.